Wild-Referent Derk Ehlert klärt über ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Tier auf
Bei Wildschweinen ist die Hauptstadt Berlin schon lange als Wohnsitz beliebt. Besonders Gärten und Sportanlagen suchen Bachen und Keiler auf, denn hier gibt es Essbares in Mülltonnen und auf Komposthaufen. Mensch und Wild prallen dann immer öfter zusammen – nicht selten mit unangenehmen Folgen: Im Berliner Stadtteil Köpenick erschrak am vergangenen Freitag ein 81 Jahre alter Mann so sehr als er in seinem Garten auf ein Wildschwein traf, dass er einem Herzinfarkt erlag. In der Kulturlandschaft Deutschland werden daher Jäger mehr und mehr im Rahmen des Artenschutzes tätig.
Der Wild-Referent des Landes Berlin, Derk Ehlert, erläutert, wie mit Wildtieren in der Stadt umgegangen werden sollte. Sie sind nicht so angriffslustig wie es oft vermutet wird. Wildschweine sollten aber in zwei Fällen mit Abstand genossen werden: Wenn die Bachen Frischlinge hätten oder wenn das Wild verletzt sei.
Zwischen Februar und April ist bei Wildschweinen Setzzeit. Dann sind die Bachen mit ihren Frischlingen unterwegs, die sie gegen vermeintliche Angreifer beschützen. Besonders Hundebesitzer sollten zu dieser Zeit auf ihre Vierbeiner aufpassen. Laut Ehlert kommt es etwa 20 Mal im Jahr zu Beißunfällen, wenn sich Hunde den Frischlingen und ihrem Muttertier nähern oder sie angreifen. „Die Hundebesitzer sind davon aber meines Wissens sehr selten betroffen“, sagte Ehlert.
Angefahrene Wildschweine, zum Beispiel nach einem Autounfall mit dem Wild, seien für Menschen die größte Gefahr. Auch wenn der Impuls einem etwas anderes sagt, sollte dem verletzten Tier nicht geholfen werden und man solle nicht versuchen es von der Straße zu ziehen. „Das Wildschwein ist mit Adrenalin vollgepumpt und in Panik. In diesem Zustand könnte es angreifen“, warnte der Wild-Experte. Einem 30 Kilo schweren Keiler mit seinen Eckzähnen hat dann auch ein Mensch nur wenig entgegen zu setzen. Ehlert empfiehlt stattdessen, nach einem Wildunfall die Polizei zu rufen. Diese informiert dann den örtlichen Jäger. Aus Sicht des Tier- und Artenschutzes kann er sich fachgerecht um das verunfallte Tier kümmern.
Wildschweine entdecken die Städte mehr und mehr für sich, dies bestätigte Ehlert. Weil die Population der Borstentiere in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren stark angestiegen sei, werde der Lebensraum für sie immer enger. Wildschweine sind die Gewinner der sich verändernden Kulturlandschaft. Durch ein ständiges Nahrungsangebot, können sie sich massenhaft vermehren – weniger anpassungsfähigere Arten wie Rebhuhn oder Feldhase können das nicht. Die Arbeit der Jäger wird so stets auch im Namen des Artenschutzes betrieben.
Auf der Suche nach anderen Lebensräumen haben Wildschweine die Vorteile von Städten zu schätzen gelernt. „Die schlauen und sehr flexiblen Wildschweine“, so Ehlert, „wissen, dass es hier keine Jägerinnen und Jäger gibt.“ Während der Jagdsaison, wenn in Wald und Flur die Jägerinnen und Jäger unterwegs sind, drängt es die Schweine in die Wohngebiete. Ein weiterer Vorteil zieht sie an: Mülleimer vor der Haustür und Komposthaufen im Garten bieten Nahrung en masse. Zwei Kilometer Entfernung sei für die Schweine dann kein Problem, denn soweit können sie Nahrung wittern.
Bewohner sollten sich mit robusten Zäunen schützen. Wildschweine sind sehr kräftig. Einen Maschendrahtzaun umzubiegen, ist für sie kein Problem. In besonderen Situationen geben Jägerinnen und Jäger die Tiere auch zum Abschuss frei. „Einmal hatten wir ein paar Wildschweine, die dauerhaft auf einem Spielplatz waren. Dann geht natürlich die Sicherheit der Kinder vor und wir erteilen eine Ausnahmegenehmigung“, sagte Ehlert.
Treffen Mensch und Wildtier dennoch aufeinander, rät der Wild-Referent: Ruhe bewahren! Prognosen gehen davon aus, dass sich die Population der wilden Schweine weiter vergrößern wird. Berliner müssen sich wohl an die Anwesenheit der Wildtiere gewöhnen. „Selbst wenn wir wollten, könnten wir die Schweine nicht in den Wald zurückbringen“, sagte Ehlert. „Sie würden morgen zurückkommen.“
(dpa) Berlin